AFD-Wähler glauben besonders oft an Verschwörungserzählungen
Publikation des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts
Verschwörungserzählungen sind bei AfD-Anhängerinnen und -Anhängern deutlich verbreiteter als bei den Befürwortern anderer Parteien. So glauben zwei Drittel der AfD-Parteigänger an Covid-19-bezogene Verschwörungserzählungen, wie die Leipziger Autoritarismus-Studie zeigt. Unter Anhängern der Grünen kommen Verschwörungserzählungen hingegen am seltensten vor. Das Forschungsteam um den Sozialpsychologen Prof. Dr. Oliver Decker, Leiter des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts (EFBI) an der Universität Leipzig, sieht damit frühere Forschungsergebnisse bestätigt, die darauf hindeuten, dass Wähler der AfD besonders häufig antidemokratische Einstellungen vertreten.
„Wir sehen, dass gerade die AfD-Wählerinnen und Wähler am stärksten an Verschwörungserzählungen glauben“, sagt Decker. „In letzter Zeit gab es immer wieder öffentliche Diskussionen, wie weit die Corona-Proteste auch von Wählerinnen und Wählern der Grünen oder Linken mitgetragen werden. Unsere Daten zeigen jedoch, dass die Anhänger dieser Parteien weniger anfällig für eine Verschwörungsmentalität sind“.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am 2020 neu gegründeten EFBI haben zusammen mit Prof. Dr. Elmar Brähler die Daten der im November 2020 erschienen Leipziger Autoritarismus Studie (LAS) einer vertieften Untersuchung unterzogen. Dabei stellten sie fest, dass es einen statistischen Zusammenhang zwischen der Zustimmung zu Verschwörungsmentalität, der Parteipräferenz sowie der Selbstverortung auf einer Links-Rechts-Skala gibt. Außerdem zeigt die Analyse, dass es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen antisemitischen Aussagen und Verschwörungserzählungen, auch jenen, die den Corona-Virus thematisieren, gibt.
Anhänger aller anderen Parteien weisen weniger oft eine Verschwörungsmentalität auf
Laut der Analyse sind Verschwörungserzählungen unter Befragten mit Wahlpräferenz für die AfD mit Abstand am weitesten verbreitet: 73,5 Prozent der AfD-Anhängerinnen und -Anhänger weisen eine Verschwörungsmentalität auf, zwei Drittel glauben zudem an Covid-19-bezogene Erzählungen. Unter den Nichtwählerinnen und Nichtwählern sind 55,2 Prozent für Verschwörungserzählungen empfänglich. Bei den Befürwortern der anderen im Bundestag vertretenen Parteien liegt der Wert deutlich darunter, zwischen 37 Prozent bei den FDP-Anhängerinnen und -Anhängern und 18,1 Prozent bei den Befragten, die sich für eine Wahl der Grünen entscheiden würden.
Klarer Zusammenhang zwischen Antisemitismus und Verschwörungserzählungen
Dadurch sieht Decker frühere Annahmen bestätigt, die Anhängern der AfD eine besonders hohe Neigung zu antidemokratischen Haltungen bescheinigen. Für den Sozialpsychologen zeigt sich damit noch einmal, „dass die AfD ein großes Problem bei der Auseinandersetzung mit anti-modernen und antisemitischen Inhalten hat“.
Dass Verschwörungserzählungen unter Befragten mit einer Präferenz für die Grünen am seltensten verbreitet sind, erklärt Elmar Brähler damit, dass der Partei „ein Großteil ihrer verschwörungsgläubigen Wählerinnen und Wähler abhandengekommen ist, wie schon ein paar Jahre vorher CDU/CSU und SPD einen großen Teil ihrer rechtsextrem eingestellten Anhängerschaft verloren haben. Sie haben bei der AfD ihre neue Heimat gefunden“.
Der Soziologe Dr. Johannes Kiess, stellvertretender Leiter des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts, ergänzt: „Verschwörungsmentalität, die Teil eines antimodernen Weltbildes ist, korreliert mit menschenfeindlichen und antidemokratischen Einstellungen. Insbesondere die Abwertung Anderer ist beispielsweise unter Grünen-Wählerinnen und -Wählern weniger stark ausgeprägt.“
Ihre Ergebnisse haben die Forscherinnen und Forscher in einem „Policy Paper“ mit dem Titel „Verschwörungsmentalität, Covid-19 und Parteipräferenz: Ergebnisse einer repräsentativen Befragung“ zusammengefasst (siehe PDF-Dokument).
Über das Else-Frenkel-Brunswik-Institut:
Das an der Universität Leipzig angesiedelte Else-Frenkel-Brunswik-Institut (EFBI) bildet eine Forschungsinfrastruktur in Sachsen, die demokratiefeindliche Einstellungen, Strukturen und Bestrebungen erforscht und dokumentiert. Im Vordergrund stehen dabei verschiedene Formen der Diskriminierung, die Strategien und Dynamiken rechts-autoritär motivierter Bündnisse und die Stärkung demokratischer Politik.
Über die Leipziger Autoritarismus Studien:
Diese Repräsentativbefragung der in Deutschland wohnhaften Bevölkerung wird seit 2002 im Zweijahresrhythmus von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Leipzig durchgeführt und gilt bundesweit als Referenzstudie zur Entwicklung und Verbreitung politischer Einstellungen. Von 2006 bis 2012 entstanden Studien in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, bekannt als „Mitte-Studien“. Die Untersuchung im Frühsommer 2020 wurde in Kooperation mit der Otto Brenner Stiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung durchgeführt Hierfür wurden 2.503 Personen mittels Paper-Pencil-Verfahren befragt. Die Auswahl der Befragten erfolgte als geschichtete Zufallsstichprobe und ist deshalb repräsentativ für die Grundgesamtheit der in Deutschland wohnhaften Bevölkerung.
Erstellt von: Pia Siemer