EFBI-Wissenschaftler: Handlungsfähigkeit bewahren – in demokratiepolitisch schwierigen Zeiten
Autoritäre Einstellungen haben in Sachsen so wie in ganz Deutschland Aufwind, zeigen Studien der Leipziger Wissenschaftler. Eine starke Zivilgesellschaft ist ein wichtiger Baustein, um die Demokratie zu stärken. Die geplanten Kürzungen in Bundes- und Landeshaushalten für Demokratieprojekte, integrative Maßnahmen und Sozialpolitik könnten Folgekosten nach sich ziehen.
Die regelmäßig durch das Else-Frenkel-Brunswik-Institut durchgeführten repräsentativen Untersuchungen zeigen, dass autoritäre Einstellungen und Ausländerfeindlichkeit in Deutschland wieder zunehmen. „Das ist zwar auch in Westdeutschland so, aber auch in Sachsen und Ostdeutschland verzeichnen wir seit Jahren hohe Werte in die diesem Bereich“, sagt Institutsleiter Prof. Dr. Oliver Decker. Diese Ressentiments und autoritären Einstellungen lasse sich als Versuch interpretieren, in politisch unruhigen Zeiten Kontrolle wiederherzustellen. Die Forscher schlussfolgern, dass gesellschaftliche Krisen Menschen besonders anfällig dafür machen, Kontrolle durch Verschwörungstheorien und Autoritarismus zurückzugewinnen – was rechtsextreme Bewegungen und Parteien stärken kann. „Davon geht eine Gefahr für die Demokratie aus,“ sagt Professor Decker.
Projektbezogene Finanzierung schränkt die Handlungsfährigkeit ein
Die neue Landesregierung in Sachsen sieht im Haushaltsentwurf Kürzungen in vielen Bereichen und auch für Demokratieprojekte vor. Die Wissenschaftler beobachten diese Entwicklung besorgt. „In Sachsen hat sich seit den 1990er Jahren eine lebendige Zivilgesellschaft herausgebildet, die vor Ort Verantwortung übernimmt“, sagt der stellvertretende Institutsleiter Dr. Johannes Kiess. Seit 2021 wertet Kiess mit Kollegen regelmäßig Befragungen der Partnerschaften für Demokratie und Modellprojekte in Sachsen aus. „Im vergangenen Jahr gab die Hälfte der befragten Partnerschaften für Demokratien an, dass ihre Handlungsfähigkeit stark durch die projektbezogene Finanzierung eingeschränkt sei, bei den Modellprojekten ist es fast ein Viertel“, so Kiess. Die Bedrohungslage durch extrem rechte Raumnahme trifft auf eine zunehmende Überbelastung zivilgesellschaftlich Engagierter. Die Entwürfe für den sächsischen Haushalt in den Jahren 2025 und 2026 lassen auf drastische Kürzungen schließen. Einige Initiativen und Vereine, wie beispielsweise die RAA Sachsen, gaben bereits bekannt, unter diesen Umständen Personalstellen nicht nachbesetzen zu können. Damit drohen beispielsweise Einschränkungen im Beratungsangebot der mobilen Beratungsteams in ländlichen Regionen.
Gesellschaftliche Kosten und Konflikte werden nur nach hinten verschoben
Dieses Vorgehen könne hohe Verrechnungskosten in der Zukunft erzeugen, meinen die EFBI-Forscher. „Demokratisches Engagement braucht langfristige Perspektiven, um Handlungsfähigkeit zu erhalten“, sagt stellvertretende EFBI-Leiterin Dr. Fiona Kalkstein. „Über lange Zeit gewachsene Strukturen drohen nun kaputt zu gehen. Das bietet rechten Akteuren die Möglichkeit, noch mehr Räume für sich zu gewinnen“. Projektbezogene Förderung allein reiche nicht aus – was zählt, sei eine kontinuierliche, verlässliche Unterstützung. Daher sei es aus sozialwissenschaftlicher Sicht unerlässlich, sich für die strukturelle Verstetigung von Finanzierungslinien einzusetzen, um zivilgesellschaftliches Engagement nachhaltig abzusichern. Zwar werden aktuell Mittel eingespart, doch aus der Perspektive der beobachtenden Forschung entstehen dadurch präventive Investitionsdefizite, die später in Form deutlich höherer gesellschaftlicher Kosten und Konflikte wieder auftreten. In den vom EFBI ausgewerteten Befragungen weisen die Partnerschaften für Demokratie und Modellprojekte zur Verbesserung ihrer Handlungsfähigkeit auf die Notwendigkeit eines Demokratiefördergesetzes auf Landes- sowie auf Bundesebene hin. „Landes- und Bundesregierung sollten diese Hinweise ernst nehmen und Strukturen demokratischer Bildung und Beteiligung langfristig sichern“, so Johannes Kiess.
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