Videomitschnitte der Gesprächsreihe "Jetzt in Sachsen"
Videomitschnitte der Gesprächsreihe "Jetzt in Sachsen" sind ab sofort online auf YouTube zum Nachschauen!
Gesellschaftliche Konflikte spielen sich nicht nur auf der Bundesebene ab, sondern werden auch im Lokalen an konkreten Themen deutlich. Gerade in Klein- und Mittelstädten werden Konflikte oft als unmittelbarer und persönlicher erlebt als in Großstädten. Einerseits können Konflikte Stadtgesellschaften polarisieren, andererseits zu demokratisch-politischem Handeln motivieren. Das Else-Frenkel-Brunswik-Institut für Demokratieforschung an der Uni Leipzig hat in den vergangenen vier Jahren zu Konflikten in sächsischen Regionen geforscht. Durch die Gesprächsreihe „Jetzt in Sachsen!“ wollen wir vornehmlich in sächsischen Kleinstädten mit Bürgerinnen und Bürgern über ihre Forschungsergebnisse und die Rolle von Konflikten in Austausch kommen.
Dafür bringen das Else-Frenkel-Brunswik-Institut (EFBI) und das Netzwerk Tolerantes Sachsen (TolSax) in den Monaten vor der sächsischen Landtagswahl Experten aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik zusammen, um über die Ergebnisse der Forschung am EFBI zu sprechen. Die Gesprächsreihe wird von den freien Journalistinnen Anna Vosgerau und Eva-Josephine Weber moderiert.
Wurzen: Was macht eine demokratische Zivilgesellschaft aus?
Die Stadt Wurzen im Landkreis Leipzig hat als ein Zentrum der sächsischen Neonazi-Szene überregionale Bekanntheit erlangt. Doch Wurzen ist auch Ort eines lebendigen und vielfältigen bürgerschaftlichen Engagements. Was bedeutet zivilgesellschaftliches Engagement auf einem Terrain, das durch rechtsextreme Mobilisierung teilweise „vermint“ scheint? Wie prägt diese Erfahrung die Aktiven, wie gehen sie mit ihr um?
Ein EFBI-Team hat zur Zivilgesellschaft in Wurzen geforscht und untersucht, welche Gruppen aktiv versuchen, die Zukunft der Stadt und die politische Kultur vor Ort zu prägen. EFBI-Leiter Oliver Decker sprach mit einer Vertreterin des Netzwerks für Demokratische Kultur (NDK) Wurzen Martina Glass, Hartwig Kasten, Initiator des Runden Tisches für Demokratie, Toleranz und Rechtsstaatlichkeit und MdB Franziska Mascheck (SPD), über die Ergebnisse der Forschung. Im Fokus stand dabei die Frage nach den Schwierigkeiten und Widersprüchen, mit denen sich die sehr vielfältige Zivilgesellschaft in Wurzen konfrontiert sieht.
Annaberg-Buchholz: Wie bedroht Antifeminismus die Demokratie?
Wie die Teilhabe der Menschen in der Gesellschaft ist, entscheidet über den Zustand der Demokratie. Das gilt auch und gerade für die Rechte von Frauen in der Gesellschaft und für Versuche der Umsetzung von Geschlechterdemokratie. Geschlechterdemokratie bedeutet die Anerkennung von Verschiedenheit auf der Grundlage von gleichen Rechten und Möglichkeiten unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung. Im Erzgebirge sorgt beispielsweise das Recht auf Schwangerschaftsabbruch für eine starke Polarisierung und Proteste.
Ein Team aus EFBI-Forscherinnen hatte die verschiedenen Konfliktlinien erforscht, um herauszufinden, wie die lokale Bevölkerung die Debatten wahrnimmt, wie sie selbst involviert ist, welche Probleme und welche Chancen sie sieht. Auf der Demokratiekonferenz "Demokratische Werte im Wandel" am 15.05. in Annaberg-Buchholz hat Dr. Fiona Kalkstein mit Vertretern der lokalen Politik und Zivilgesellschaft über ihre Forschungsergebnisse diskutiert.
Zittau: Was sind die Grenzen von demokratischem Protest?
Das Recht auf Demonstrationen ist ein hohes Gut. Gleichzeitig gibt es viele unterschiedliche Meinungen in der Gesellschaft dazu, welche Protestaktionen angemessen sind und welche nicht. Die Oberlausitz ist vor allem seit der Corona-Pandemie Schauplatz von Protestgeschehen gegen Grundrechtseinschränkungen, beispielsweise im Rahmen des sogenannten „Stillen Protests“ an der B96, die sich auch dezidiert gegen den Staat richten. Es gibt aber auch in Sachsen radikale Protestaktionen der Letzten Generation gegen die Klimakrise. Sie sollen die Regierung zum schnelleren Handeln zwingen. Hier stellt sich die Frage: Gefährden aktuelle Protestbewegungen den gesellschaftlichen Zusammenhalt?
EFBI-Forscher Dr. Piotr Kocyba beschäftigt sich mit Protestgeschehen in Ostdeutschland, Polen und anderen EU-Staaten. Er diskutiert mit Landrat Dr. Stephan Meyer (CDU) und Dorothea Schneider (Augen auf e.V.) wie Forscher die lokalen Proteste untersuchen und zu welchen Ergebnissen sie gekommen sind, auch in Bezug auf das Protestgeschehen in Zittau.
Leipzig: Wozu verpflichtet uns das Erbe von 1989?
Leipzig gilt als die Stadt der friedlichen Revolution. Aber was bedeutet dieses Erbe konkret für unseren demokratischen Alltag? Wird unsere Erinnerungskultur den vielfältigen Erfahrungen von 1989 gerecht? Was können wir heute noch aus den Erfahrungen der Wende für zivilgesellschaftliches Engagement lernen? Und wie unterscheidet sich dieses Engagement in der Großstadt Leipzig und dem Umland der Stadt? Wie gehen wir mit den Unterschieden innerhalb der Stadt Leipzig um?
Die Gesprächsreihe "Jetzt in Sachsen" vom Else-Frenkel-Brunswik-Institut (EFBI) und dem Netzwerk Tolerantes Sachsen (TolSax) hatte im sogenannten Superwahljahr 2024 vier Gesprächstermine im ländlichen Sachsen organisiert, um mit Zivilgesellschaft, Politik und Bürgerinnen und Bürgern über die Ergebnisse der Demokratieforschung am EFBI und das Erleben von Demokratie im Alltag zu sprechen. Aufgrund der großen Nachfrage konnte ein Zusatztermin im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig eingerichtet werden: Bei diesem diskutierte EFBI-Direktor Prof. Dr. Oliver Decker mit Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), Bürgerrechtlerin Gesine Oltmanns (Stiftung Friedliche Revolution), Henry Lewkowitz (Vorsitzender Erich-Zeigner-Haus) und Alex Müller (Colorido e.V., Plauen) über die Gegenwart und Vergangenheit der Friedlichen Revolution.
Riesa: Was bringen Arbeitskämpfe der Demokratie?
Seit einigen Jahren ist eine bemerkenswerte Welle von Organisierungen und Arbeitskämpfen in ostdeutschen Betrieben zu beobachten. Schwerpunkte bilden in Sachsen Betriebe der Nahrungs- und Genussmittelindustrie, der Metallindustrie und im Dienstleistungsbereich. Beteiligte berichten, dass sie Selbstwirksamkeit und praktische Demokratie erfahren – in einer Arbeitswelt, die zuvor politisch aufgegeben schien.
Unter Leitung von Dr. Johannes Kiess hatten EFBI-Wissenschaftler erforscht, dass die Erlebnisse am Arbeitsplatz großen Einfluss auf unser Verständnis von Demokratie haben. In Riesa diskutierte Johannes Kiess mit Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Martin Dulig und Martin Tritschler vom Verein Sprungbrett e.V., die eine Ausstellung zu Freizeitangeboten der Gewerkschaften in der DDR erarbeitet haben.